Tony Soprano



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  • #227275
    Randy Taylor
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    Der Held unserer Serie. Nach außen ist Tony der gerissene, ruchlose Pate einer Mafiafamilie in New Jersey. Als einziger Sohn des berühmten Mafioso Johnny Boy Soprano fühlt Tony aber den Druck der längst überholten Rituale der Mafia auf sich lasten. Auch seine wirkliche Familie fordert alles von ihm. Ist es da erstaunlich, dass Tony Hilfe bei einer Psychiaterin sucht?

    Quelle: http://www.zdf.de

    #482861
    Stephan
    Mitglied

    Tony ist ein Charakter der nicht einfach zu verdauen ist.
    Ich habe die Staffen mit 18 zum ersten mal angesehen, das war vor 8 Jahren. Vor ein paar Wochen habe ich wieder damit angefangen und bin jetzt durch.

    Mit 18, als ich eben noch ein Jugendlicher war fand ich Tony zwar teiweise furchtbar aber es gab auch immer wieder Szenen in denen ich ihn sympathisch fand und in denen ich mit ihm mitgefiebert habe.

    Beim zweiten Durchlauf dann, also heute mit 26, gab es keine Szenen mehr in denen ich Tony sympathisch fand. Ich fand es zwar unheimlich unterhaltend wenn Tony mal wieder durchgedreht ist aber sowas wie Sympathie konnte ich für ihn eben nicht mehr entwickeln.

    Soziopathen sind alle aus Tony’s Bande, ich kann mich aber nicht entscheiden ob Tony oder ein Typ wie Phil schlimmer ist. Ich tendiere zu Tony. Bei Phil kann ich noch so etwas wie Mitleid entwickeln, weil er eindeutig geisteskrank ist, d.h. er leidet wohl unter ein Art geistiger Umnebelung die ihn daran hindert „die Dinge klar zu sehen“. Die Sache mit Tony B und seinem Bruder war ein gutes Beispiel für eine völlig krankhafte Fixierung. Auch die Sache mit Vito…so furchtbar sich Phil auch verhalten hat…Phil hatte zumindest noch so etwas wie Ideale an die er geglaubt hat (natürlich ist völlig klar, dass diese Ideal absolut widerlich sind).

    Was Tony so grausam macht ist sein Pragmatismus. Was Tony tut, tut er aus eiskalter Berechnung heraus. Er hat keinerlei Ideale. Die Krokodilstränen für die von Ralphi erschlagene Nutte deute ich zwar schon als Mitgefühl, aber so wirklich schlimm fand er es sicher nicht. Eher war da noch eine Portion Wut mit dabei weil Ralphi eine Frau getötet hat die er gef**** hat.

    Die anderen Charaktere bei den Sopranos sind eben anders als Tony. Psychopathen sind wie gesagt alle, aber während Typen wie Paulie, Christopher und Syl in meinen Augen nur wilde Tiere sind ist Tony derjenige der sie an der Leine hält und sie berechnend auf unschuldige Menschen hetzt.

    Nach dem „zweiten Durchlauf“ durch die Sopranos bin ich auch mit meinem Urteil über die Serie deutlich kritischer. Früher war es wohl meine Lieblingsserie, jetzt ist sie das nicht mehr. Ich kritisiere, dass das Gangsterleben glorifiziert wird. Das ist der klassische Kritikpunkt der an Mafiageschichten grundsätzlich geäußert wird und ich stimme zu. Um es kurz zu machen: In „Die Sopranos“ wird das Bild vermittelt das nur Mitglieder der Mafia „echte Männer“ seien. Die geringeren Schichte der Gesellschaft werden als wertlose arme Würstchen dargestellt, die von den harten Mafiajungs herumgeschubst werden und sich nicht wehren können (z.B. der Gärtner der die Rasen mäht oder Artie Bucco). Die Intellektuellen hingegen als absolute Waschlappen, die insgeheim gerne so stark und cool wären wie die Gangster, dafür aber einfach zu weich sind (dabei denke ich an die Männer um Dr. Melfie, Christopher’s Schriftstellerfreund oder auch den Abgeordneten, der von Tony mit einem Gürtel verdroschen wird) und letztlich eigentlich immer am kürzeren Hebel sitzen.
    Die Gangster bekommen alles was sie möchten, die anderen schauen nur zu und wären insgeheim am liebsten so wie sie.
    Das vermittelte Frauenbild ist keineswegs besser. Alle schönen Frauen stehen auf Gangster, Punkt. Wenn man ein Gangster ist ist es egal ob man hässlich wie die Nacht ist, jede Frau wird sich innerhalb kürzester Zeit für einen ausziehen, egal ob glücklich verheiratet oder nicht. Frauen werden erregt dabei wenn sie sehen wie ein starker Macker einen schwächeren verprügelt. Das Frauenbild das vermittelt wird ist fatal. Damit man mich nicht falsch versteht: Natürlich stehen Frauen tendenziell eher auf männliche Männer anstatt auf Heulsusen, aber keine erwachsene Frau, die nicht enorme seelische Problem hat, steht auf Typen wie Tony oder Christopher.

    Um ehrlich zu sein: Beim zweiten Durchlauf durch die Serie habe ich so langsam realisiert wie schlecht es war, dass ich mir das mit 18 angesehen habe. Obwohl ich auf dem Papier volljährig war, war ich emotional eben doch noch zu unreif um das Gesehene als das einzuordnen was es ist: Eine rein fiktive Geschichte, die unterhalten soll und die nie den Anspruch erhebt die Realität darzustellen. Es hat Jahre gedauert bis ich endlich festgestellt habe, dass ein gutherziger Mann, der kein Arschloch ist, nicht automatisch ein Waschlappen ist (wie in Sopranos dargestellt) und das sich die wenigsten Frauen von soziophatischen Männern angezogen fühlen…ja noch nicht einmal von Machos. Es klingt wirklich unheimlich spießig und ich hätte nie gedacht dass ich so etwas mal sage, aber ich gebe Medienerzeugnissen wie Sopranos die entscheidende Mitschuld daran, dass sich viele junge Männer zwischen 18 und 23 in einer enormen Identitätskrise befinden.

    Der Serie halte ich zu Gute dass Tony nicht uneingeschränkt glorifiziert wird, wie es in anderen Mafiafilmen manchmal vorkommt. In der Serie wird konsequent immer wieder klar gemacht dass Tony ein Psychopath ist, der nichtmal davor zurück schreckt z.B. Familienangehörige zu ermorden…und der dabei keinerlei Schuld empfindet. Das er in manchen Szenen menschlich gezeigt wird liegt halt daran, dass er halbwegs realistisch dargestellt wird. Niemand ist nur böse, sein Leben wäre sonst recht einsam und langweilig…Selbst von Adolf Hitler gibt es Dokumente und Filmschnipsel die zeigen wie er freundschaftlich und fürsorglich mit Angehörigen oder Mitarbeitern umgeht…
    Ich denke mir Menschen reagieren mit Sympathie auf Tony weil wir es aus der Literatur eigentlich noch schlimmere Charaktere gewohnt sind. Der Bösewicht in Actionstreifen wird ja für gewöhnlich als 1-dimensional böse dargestellt. Oder Jack Nicholson in Departed, auch von dem wird nie eine menschliche Seite gezeigt.
    Nur haben solche Filme oder Bücher überhaupt nichts mit der Realität zu tun, Charaktere wie Tony Soprano hingegen gibt es aber leider tatsächlich im echten Leben.

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